Deutsche Allianz Nichtübertragbare Krankheiten

Kein Alkohol unter 18 Jahren

Berlin, Mai 2017 – DANK unterstützt das Positionspapier der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen e.V. (DHS). Die DHS empfiehlt unter 18-Jährige grundsätzlich vor Alkoholkonsum zu schützen. Alkohol ist ein höchst gesundheitsgefährdendes Produkt. Dies ist die Folge seiner Eigenschaften als Zellgift, als Rauschmittel und Suchtmittel sowie seiner enthemmenden Wirkung. Die Gesundheitsrisiken betreffen jedes alkoholische Getränk und jeden Konsum.

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Das Positionspapier "Kein Alkohol unter 18 Jahren

Vorwort
Der Konsum von Alkohol ist in Deutschland selbstverständlich und wird allgemein geschätzt und gefördert. Selbst der Alkoholkonsum durch Jugendliche scheint in Deutschland nur dann problematisch, wenn er zu schweren Alkoholvergiftungen oder Gewaltdelikten führt. Aus Expertensicht allerdings gibt der unter Kindern und Jugendlichen sehr weit verbreitete Alkoholkonsum, der durchschnittlich bereits im 14. Lebensjahr beginnt (Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, 2014), seit vielen Jahren Anlass zu größter Sorge. Alkohol ist ein höchst gesundheitsgefährdendes Produkt. Dies ist die Folge seiner Eigenschaften als Zellgift, als Rauschmittel und Suchtmittel sowie seiner enthemmenden Wirkung. Die Gesundheitsrisiken betreffen jedes alkoholische Getränk und jeden Konsum. Sie gelten für jeden Konsumenten und jede Konsumentin, also unabhängig von Geschlecht, Gesundheitsstatus oder Alter. Während der gesamten Entwicklung Heranwachsender geht Alkoholkonsum mit noch besonders erhöhten Gefahren einher.

Vor diesem Hintergrund empfiehlt die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e. V., unter 18-Jährige in dieser entscheidenden Lebensphase grundsätzlich vor Alkoholkonsum zu schützen.

1 Wissenschaftlicher Kenntnisstand
Alkohol ist ein Zellgift. Über die Blutbahn und die Lymphgefäße wird getrunkener Alkohol im gesamten Körper verteilt und schädigt Organe und Nervenzellen (Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen, 2015; Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen, 2014). Mehr als 200 verschiedene Krankheiten sind im Zusammenhang mit Alkohol bekannt (Rehm et al., 2010a), darunter mehrere Krebsarten (Deutsches Krebsforschungszentrum, 2014), Bluthochdruck (Marmot et al., 1994), Leberzirrhose (Rehm et al., 2010b), dauerhafte Hirnschädigungen (Meinhardt et al., 2013) und Diabetes (Baliunas et al., 2009).

Acetaldehyd, das erste Abbauprodukt von Alkohol, ist krebserzeugend (Simanowski, et al., 2001). Es bindet an die DNA der Zellen und hemmt die DNA-Reparatur. Darüber hinaus entstehen beim Abbau von Alkohol sogenannte Etheno-DNA-Addukte, die ebenfalls krebserzeugend sind (Linhart, Bartsch, Seitz, 2014) und das Risiko für eine Krebserkrankung erhöhen. So steigert Alkoholkonsum besonders während der Pubertät das Risiko für Brustkrebs (Lew et al., 2009; Seitz et al., 2011; Seitz et al., 2012). Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren tragen ein erhöhtes Risiko für alkoholbedingte Schäden (Laucht, Blomeyer, Buchmann, 2011). Aufgrund des organischen Wachstums in Kindheit und Jugend sind Heranwachsende besonders anfällig für die toxische Wirkung von Alkohol, zumal dieser selbst die Zellteilung in bestimmten Geweben beschleunigt (Simanowski et al., 2001). Diese Zellvermehrung spielt bei der Krebsentstehung eine entscheidende Rolle.

Im Jugendalter unterliegt die Struktur des Gehirns einem fortwährenden Entwicklungsprozess bis in das frühe Erwachsenenalter hinein (Giedd, Rapoport, 2010). Dies gilt in der Pubertät insbesondere für den präfrontalen Cortex. Diese Gehirnregion hat nicht nur große Bedeutung für die Integration von Gedächtnisleistungen und emotionalen Bewertungen, sondern auch für die Planung und Handlungssteuerung eines Menschen. Die Unterschiede in Struktur und Aktivität von jugendlichen und erwachsenen Gehirnen bestehen u. a. darin, dass Erwachsene die langfristigen Folgen eines Verhaltens bewerten, während für Jugendliche langfristige negative Konsequenzen eines Verhaltens weniger ausschlaggebend sind. Dies betrifft auch die Einschätzung des Alkoholkonsums und seiner Risiken.
Der kurzfristige Genuss wird von Jugendlichen höher bewertet als mögliche Schäden in der Zukunft.

Dies kann bei starkem Alkoholkonsum zu schwerwiegenden Folgen führen:
• Reduzierung des hippocampalen Volumens
• Verkleinerung des frontalen Cortex v. a. bei weiblichen Jugendlichen
• Beschädigung oder auch Reduzierung der weißen Gehirnsubstanz
(Welch, Carson, Lawrie, 2013)

Insgesamt kommen nationale und internationale Studien zu dem Ergebnis, dass das jugendliche Gehirn wesentlich empfindlicher auf Alkohol reagiert als das erwachsene Gehirn, was zu dauerhaften Änderungen im Gehirn führen kann. Die Adoleszenz ist darüber hinaus eine Lebensphase, die von Heranwachsenden die Bewältigung unterschiedlichster Entwicklungsaufgaben fordert und sie mit neuen Anforderungen konfrontiert wie Identitäts- und Normenentwicklung, Ablösung vom Elternhaus, sexuelle Reifung und Übergang ins Berufsleben.

Diese hohen Anforderungen verlangen Jugendlichen situationsangemessene Bewältigungsstrategien ab, die zu entwickeln aufgrund der hirnorganischen Entwicklung z. T. sehr schwierig oder gar unmöglich ist. Dies gilt insbesondere dann, wenn Jugendliche nicht über ausreichende psychische Ressourcen verfügen und Alkohol zur Problembewältigung einsetzen.

Auch das Risiko, eine Alkoholabhängigkeit zu entwickeln, ist unter 18 Jahren erhöht. Grundsätzlich gilt: Je früher der Alkoholkonsum beginnt, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit einer Abhängigkeit (Laucht, Blomeyer, Buchmann, 2011), desto geringer die Wahrscheinlichkeit, diese Abhängigkeit zu überwinden und desto größer die zu erwartenden gesundheitlichen Schäden. Zudem ist der Konsum bis zur akuten Alkoholvergiftung in jungen Jahren wahrscheinlicher als in höherem Alter. Ihr erstes Glas Alkohol trinken 12- bis 17-Jährige durchschnittlich im Alter von 13,6 Jahren. Ihren ersten Rausch haben sie im Mittel mit 14,9 Jahren. Regelmäßig (mindestens einmal pro Woche) trinken 14,2 Prozent der Kinder und Jugendlichen, 15,2 Prozent trinken sich gelegentlich und 3,7 Prozent häufig in einen Rausch (Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, 2014). In den letzten Jahren wurde bei Kindern und Jugendlichen außerdem vermehrt die Tendenz zum Trinken bis in die Bewusstlosigkeit beobachtet. Im Jahr 2013 mussten in Deutschland über 23.000 Kinder und Jugendliche zwischen zehn und 20 Jahren mit einer Alkoholvergiftung behandelt werden (Statistisches Bundesamt, 2015).

Alkohol birgt zudem auch für Kinder und Jugendliche soziale Risiken. Da Alkohol die Hemmschwelle für Gewalt senkt und die Aggressivität erhöht, ist er mit vermehrten sozialen und kriminologischen Problemen verbunden. Sein Konsum erhöht die Wahrscheinlichkeit, Täter oder Opfer von Straftaten, Verursacher oder Opfer von Verkehrsunfällen zu werden. Alkoholisierte Menschen neigen ferner zu riskantem Sexualverhalten und erhöhen damit ihr Risiko für sexuell übertragbare Krankheiten und ungewollte Schwangerschaften (Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen, 2010).

Vor diesem Hintergrund und nach Auswertung aller relevanten Studien hat das Wissenschaftliche Kuratorium der DHS im Jahr 2007 seine „Empfehlungen zu Grenzwerten für den Konsum alkoholischer Getränke“ veröffentlicht. Darin wird festgehalten, dass die „risikoarme Schwellendosis im Umgang mit Alkohol beim gesunden Menschen ohne zusätzliches genetisches oder erworbenes Risiko […] beim Mann bei 24 g Alkohol pro Tag und bei der Frau bei 12 g Alkohol pro Tag“ liegt
Ab dieser Menge, mehr als fünf Mal pro Woche konsumiert, steigt die Wahrscheinlichkeit einer Vielzahl alkoholbedingter Schäden nachweislich und deutlich. Risikofreier Alkoholkonsum ist dem hingegen, wie bei allen toxischen Substanzen, gleich in welch geringer Menge, nicht möglich. Die Empfehlungen des Wissenschaftlichen Kuratoriums der DHS betonen, dass die genannten Grenzwerte, ab denen Alkoholkonsum nachweislich mit hohen gesundheitlichen Risiken verbunden ist, ausschließlich für gesunde Erwachsene gelten: „Jugendliche sollten Alkohol weitgehend meiden“ (Seitz, Bühringer, Mann, 2007).

2 Nationale Situation im internationalen Vergleich
Jeglicher Alkohol frühestens ab 18 Jahren: Dieser Erkenntnis folgt auch die Mehrheit der europäischen Jugendschutzbestimmungen. Von 36 europäischen Staaten weisen 22 eine einheitliche Regelung auf: Jeglicher Alkohol ab 18 Jahren. Davon abweichend schreiben Luxemburg einheitlich 16, Malta und Zypern einheitlich 17, Island einheitlich 20 Jahre als Grenzalter vor. Lediglich Belgien, Dänemark, Österreich, Portugal, die Schweiz und Spanien besitzen gleich uneinheitliche Jugendschutzregelungen zu Alkohol, wie Deutschland. Auch Finnland, Norwegen und Schweden unterscheiden zwischen unterschiedlichen Sorten Alkohol, allerdings bei den Altersstufen 18/20 statt 16/18 (vgl. Übersicht 1 im Anhang). Die dabei unterschiedliche Einordnung von Wein, mal in der niedrigeren, mal in der höheren Altersstufe, verdeutlicht die Beliebigkeit dieser Unterscheidungen, die keine wissenschaftliche Begründung für sich beanspruchen können. Eine vergleichbare Regelung beim Jugendschutz zu Tabakprodukten würde unterschiedliche Legalitätsalter für Zigaretten bzw. Zigarren oder Pfeifentabak vorsehen – und ist mit gutem Grund weltweit unbekannt.

Vor diesem Hintergrund und aufgrund der Tatsache, dass in Europa allein knapp 30 Prozent der Todesfälle in der männlichen Bevölkerung zwischen 15 bis 25 Jahren alkoholbedingt sind (Anderson, Baumberg, 2006) zeigen sich auf europäischer Ebene Bestrebungen, den Schutz Jugendlicher vor alkoholverursachten Gefahren zu verbessern. So empfiehlt der Ausschuss des EU-Parlamentes für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (ENVI) der künftigen EU-Alkoholpolitik: „to protect young people from alcohol related harm, namely by increasing the existing age limits to the minimum of 18 years old“ (European Parliament, 2015, S. 9). Auch die Weltgesundheitsorganisation WHO kritisiert in ihrem „Europäischen Aktionsplan zur Verringerung des schädlichen Alkoholkonsums (2012-2020)“, dass in manchen ihrer Mitgliedsstaaten Jugendliche unter 18 Jahren Alkohol kaufen dürfen (Weltgesundheitsorganisation, 2011, S. 3).

3 Empfehlungen
Die in der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen zusammengeschlossenen 25 Verbände der Suchtprävention, Suchthilfe und Sucht-Selbsthilfe sind sich der Tatsache bewusst, dass der weitaus größte Teil der Alkoholkonsumenten und -konsumentinnen in Deutschland den Konsum vor dem 18. Lebensjahr beginnt. Deutschland befindet sich hier mit 89 Prozent aktuellen Alkoholkonsums der unter 18-Jährigen an 3. Stelle europäischer Nationen (vgl. Übersicht 2 im Anhang).

Gerade angesichts dieser Problematik formulierte die DHS bereits in ihren Empfehlungen zu Grenzwerten für Erwachsene „Jugendliche sollten Alkohol weitgehend meiden“ (Seitz, Bühringer, Mann, 2007). Dies bedeutet: Vor Vollendung ihres 18. Lebensjahres sollte kein Alkohol konsumiert werden. Geschieht dies jedoch, dann möglichst spät im Leben, möglichst selten und möglichst geringe Mengen. Jede andere Empfehlung zum Alkoholkonsum vor Erreichen der Volljährigkeit würde dem eindeutigen medizinischen und epidemiologischen Forschungsstand widersprechen.

Die „Nationale Strategie zur Drogen- und Suchtpolitik“ der Bundesregierung (Drogenbeauftragte der Bundesregierung, 2012) formuliert zum Problem des Alkoholkonsums von Kindern und Jugendlichen drei Ziele: Die „Reduzierung der Häufigkeit des Rauschtrinkens“, die „konsequente Umsetzung der bestehenden Regelungen des Jugendschutzgesetzes“ und die Absicht, „Kinder und Jugendliche vor Alkoholwerbung [zu] schützen“.

Die in der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen zusammengeschlossenen Verbände ergänzen
hierzu:
• Das Alkoholtrinken durch Kinder und Jugendliche bedarf ebenso der Reduzierung wie die Häufigkeit des Rauschtrinkens unter diesen.
• Die konsequente Umsetzung der Regelungen eines einheitlichen Jugendschutzes wäre wirksamer, als die Umsetzung der in Deutschland bestehenden Regelungen.
• Vor Alkoholwerbung können Jugendliche geschützt werden, wenn, wie in derzeit bereits 13 europäischen Nationen, Alkoholwerbung beschränkt wird (Norwegen, Schweden, Island, Schweiz, Türkei, Frankreich, Belarus, Kroatien; bezüglich Destillaten auch: Österreich, Spanien, Finnland, Polen und Slowenien). (s. hierzu auch: Deutsche Hauptstelle
für Suchtfragen, 2008)

Um Kinder und Jugendliche vor den enormen gesundheitlichen und sozialen Folgen des Alkoholkonsums zu schützen und angesichts der internationalen Forschungslage empfiehlt die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen, dass Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren grundsätzlich keinen Alkohol trinken.

In Übereinstimmung mit den Jugendschutzgesetzen der großen Mehrheit europäischer Staaten empfiehlt die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen, den Jugendschutz vor sämtlichen Alkoholprodukten einheitlich auf alle Heranwachsenden bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres auszudehnen.

§ 9 Abs. 1 des Jugendschutzgesetzes sollte wie folgt formuliert sein: „In Gaststätten, Verkaufsstellenoder sonst in der Öffentlichkeit dürfen alkoholische Getränke an Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren weder abgegeben noch darf ihnen der Verzehr gestattet werden.“
Hamm, den 2. Juli 2015

Zum Download:
Das Positionspapier "Kein Alkohol unter 18 Jahren