Deutsche Adipositas Gesellschaft
Mutig, konsequent, clever: England hat eine Limosteuer für „Adipositasbomben“
„Wir gratulieren der britischen Regierung zu diesem mutigen, konsequenten und cleveren Schritt, der hoffentlich bald weitere Nachahmer in Europa findet“, so der Kommentar von Prof. Dr. med. Matthias Blüher, Präsident der Deutschen Adipositas-Gesellschaft (DAG).
„Dass eine konservative Regierung eine Limosteuer einführt, ist besonders mutig und wegweisend. Die Limosteuer ist richtig und konsequent, denn es ist wissenschaftlich erwiesen, dass zuckerreiche Colagetränke und Limonaden Übergewicht fördern – insbesondere bei Kindern und Jugendlichen, die die größte Konsumentengruppe bilden - übrigens auch bei uns in Deutschland3.“, so Adipositas-Experte Blüher.
Clever ist die britische Steuer vor allem, weil sie Kritikern gleich in mehrfacher Hinsicht den Wind aus den Segeln nimmt:
- „Gegenargument 1“: Eine Limosteuer treffe ärmere Bevölkerungsschichten am härtesten. Trifft nicht zu, denn die Steuer wird auf Produzentenseite erhoben. Limohersteller sind nicht gezwungen, die höheren Produktionskosten an ihre Kunden „durchzureichen“ – sie können die Steuer sogar umgehen, indem sie den Zuckergehalt ihrer Produkte senken. So ist die Steuer ein ökonomischer Anreiz zur Produktoptimierung und nimmt die Getränkeindustrie auch ethisch in die Pflicht.
- „Gegenargument 2“: Verbrauchssteuern auf ungesunde Lebensmittel sollen nur Mittel generieren, um andere Steuerlöcher im Haushalt zu stopfen. Trifft nicht zu, denn hier werden die Steuermehreinnahmen gesundheitsfördernd gleich wieder investiert: in Kindergesundheit für mehr Bewegung und gesunde Frühstücke an Schulen.
- „Gegenargument 3“: Kleinere Unternehmen werden durch höhere Produktionskosten in den Ruin getrieben. Trifft nicht zu, denn kleine Produzenten sind von der Limosteuer ausgenommen.
Je nach dem Zuckergehalt verteuert sich im britischen Modell die Produktion einer 330- ml-Dose um 6-8 Pence (6 Pence bei 5-8 g Zucker/ 100 ml bzw. 8 Pence bei mehr als 8 g Zucker/ 100 ml). Die populärsten Cola- und Limogetränke liegen deutlich über 8 g Zucker/ 100 ml. Von der Steuer ausgenommen sind Fruchtsäfte und gezuckerte Milchgetränke.
Wird der Zucker in den Limos nicht reduziert und werden die höheren Produktionskosten an die Verbraucher weitergereicht, erhöht sich der Preis für eine 330-ml-Dose etwa um 10 Prozent, so die Zeitung „Telegraph“ vom 16.03.2016. Mit einer 10-prozentigen Preiserhöhung für Softdrinks gab es 2014 erste gute Erfahrungen in Mexiko: hier sank der Konsum binnen eines Jahres um 12 Prozent, ärmere Schichten profitierten besonders (-17 Prozent).
Wie aus dem britischen Finanzministerium verlautete, sei das Vorbild für die britische Limosteuer vor allem die Besteuerung von Unternehmen in Ungarn gewesen. Diese hatte zu einer 40- prozentigen Reduktion der Zuckergehalte in Produkten geführt, zitiert der „Telegraph“. Wie in England konsumieren auch in Deutschland Erwachsene mehr als doppelt soviel Zucker, wie die Weltgesundheitsorganisation und die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfehlen1. Englische Kinder nehmen sogar dreimal soviel Zucker zu sich3.
In Deutschland trinken Teenager im Alter von 14-18 im Durchschnitt täglich einen Viertelliter Limonaden (Mädchen) bzw. einen halben Liter (Jungen)3. Im Alter von 6-7 Jahren nehmen Jungen nur über Limonaden 5 kg Zucker/ Jahr zu sich, im Alter von 14-17 Jahren sind es bereits 30 kg/ Jahr. Auch die Bundesregierung will den Zuckergehalt in Lebensmitteln und Getränken reduzieren. Für eine nationale Reduktionsstrategie sind im Bundeshaushalt 2 Mio. € für 2016 budgetiert4.
„Leider verlässt sich die Bundesregierung aber auf die freiwillige „Einsicht“ der Ernährungsindustrie und verzichtet auf ökonomische Anreize zur gesundheitsförderlichen Produktverbesserung. Die Zielsetzung zur Zuckerreduktion ist demgemäß enttäuschend: mindestens 10 Prozent weniger auf Produktebene in den nächsten 5 Jahren - bei 100 Prozent zuviel Zuckerverzehr schon heute!“, kritisiert Prof. Blüher. Die britische Limosteuer bringt in einem Jahr voraussichtlich etwa soviel ein (in Pfund), wie das neue Präventionsgesetz in Deutschland im Jahr kostet (in Euro).
Quellen:
- http://www.telegraph.co.uk/news/health/news/12195786/Budget-2016-Sugar-tax-on-softdrinks.html
- http://orf.at/stories/2329982/2329981/
- Deutsche Gesellschaft für Ernährung [Hrsg.]: Ernährungsbericht 2012
- Antwort von Dr. Maria Flachsbarth, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundeministerium für Ernährung und Landwirtschaft vom 18.12.2015 auf die „Kleine Anfrage der Abgeordneten Nicole Maisch, Kordula Schulz-Asche, Elisabeth Scharfenberg, Harald Ebner, Matthias Gastel, Friedrich Ostendorf und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur Reduktionsstrategie Zucker, Fett und Salz in Fertigprodukten“vom 2.12.2015, Drucksache 18/6971
- Gerlach, S.; Joost, H-G (2016): Nationale Reduktionsstrategie 2016. Positionspapier von diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe Ernährungs-Umschau 63(4): 90-93 (im Druck), s. auch: http://www.diabetesde.org/ueber_uns/gesundheitspolitische_interessenvertretung/positionspapiere/
Diese Meldung auf der Webseite der Deutschen Adipositas Gesellschaft (DAG).