Deutsche Adipositas Gesellschaft

Adipositas-ExpertInnen fordern: Kinderübergewicht stoppen!

München, den 10. Oktober 2016 Weltweit steigt das Übergewicht im Kindes- und Jugendalter an. Adipositas kann sich mittel- und langfristig negativ auf Gesundheit, Bildungsabschlüsse und Lebensqualität von Kindern auswirken. Nach Angaben von World Obesity, (die DAG ist deutsche Mitgliedsorganisation) sind derzeit über 222 Mio. Schulkinder weltweit übergewichtig oder adipös, diese Zahl wird noch auf über 267 Mio. bis zum Jahr 2025 steigen. Dann werden schätzungsweise 12 Mio schwer übergewichtige Kinder eine verschlechterte Glukosetoleranz aufweisen (Vorstadium eines Diabetes Typ 2), 4 Mio. Kinder werden an Diabetes Typ 2 leiden, 20 Mio. Kinder werden Bluthochdruck haben und 30 Mio. Kinder werden an einer Fettleber erkrankt sein.

Die Häufigkeit von Adipositas steigt weltweit an - wirkungsvolle Präventionsmaßnahmen sind daher dringend nötig. Quelle: NCD Risk Factor Collaboration / www.ncdrisc.org

„Die Adipositas-Epidemie entwickelt sich weltweit zur größten Herausforderung für das Gesundheitswesen und rangiert bereits unter den drei wichtigsten Ursachen für chronische Krankheiten.“, so Prof. Dr. Matthias Blüher, Präsident der Deutschen Adipositas-Gesellschaft DAG. „Auch in Deutschland brauchen wir mehr politische Führung, um dieses grassierende Problem in den Griff zu bekommen. Insbesondere müssen wir den jungen Generationen das gesunde Aufwachsen leichter machen, indem wir ihre Lebenswelten in Schule und Kitas gesundheitsförderlich umgestalten und schädigende Einflüsse in der informationellen Umwelt, vor allem das an Minderjährige gerichtete Marketing (in digitalen Medien, auf den Verpackungen etc.) für dickmachende Lebensmittel und Getränke einschränken.“, so Adipositasexperte Blüher.

Nach Informationen der Welt-Adipositas-Organisation (www.worldobesity.org) hat es bislang kein Land der Welt geschafft, eine Trendumkehr der steigenden Adipositaszahlen zu realisieren. Es gebe enorme wirtschaftliche Interessen, die effektiven bevölkerungsweiten Maßnahmen der Primärprävention entgegen stehen, so die internationale Adipositas-Organisation.
Maßnahmen, die einen verhaltenspräventiven Ansatz (Verhaltensänderung des Einzelnen) in der Prävention von Adipositas bei Kindern und Jugendlichen verfolgen, haben sich als nicht effektiv erwiesen; auch werden Risikogruppen für die Entstehung einer Adipositas bislang nicht ausreichend erreicht (1). Die DAG empfiehlt gemeinsam mit anderen Experten, verhältnispräventive Maßnahmen einzusetzen, die adipogene (übergewichtfördernde) Lebenswelten in gesundheitsfördernde Lebenswelten umwandeln (2). Dazu gehören insbesondere:

  • Verpflichtende Umsetzung der DGE-Qualitätsstandards für die Kita- und Schulernährung
  • Bewegungsförderung in der Schule (eine Stunde am Tag)
  • Verbot von Marketing für übergewichtsfördernde Lebensmittel, das sich an Minderjährige richtet
  • Subventionierung gesunder Lebensmittel (Obst, Gemüse) und Verteuerung adipogener (übergewichtfördernder) Lebensmittel und Getränke durch eine Zucker-Fett-Steuer.

„Diese Präventionsmaßnahmen/- ansätze haben den großen Vorteil, dass sie sich positiv für ALLE Menschen auswirken; und die speziell im Hinblick auf Kinder und Jugendliche formulierten Maßnahmen tragen zu einer allgemeinen Verbesserung der Lebenswelten ALLER Minderjähriger bei, einschließlich Entwicklungsförderung (z. B. durch mehr Bewegung und gesundes Schulessen)“, betont Privatdozentin Dr. Susanna Wiegand, Vizepräsidentin der DAG und Sprecherin der Arbeitsgemeinschaft Adipositas im Kindes- und Jugendalter (www.a-g-a.de).

Die WHO Kommission zur Beendigung des kindlichen Übergewichts (ECHO) empfiehlt:

  • Die Förderung des Verzehrs gesunder Lebensmittel
  • Die Förderung körperlicher Bewegung
  • Eine bessere medizinische Versorgung übergewichtiger Frauen vor der Empfängnis und während der Schwangerschaft
  • Gesunde frühkindliche Ernährung und Bewegungsförderung
  • Gesundheitsförderung, Ernährung und Bewegung für Schulkinder
  • Gewichtsmanagement

Wie sieht die Situation des Übergewichts bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland aus?
Die Einschätzung der Entwicklung des Kinderübergewichts ist schwierig, da die letzten, repräsentativen, gemessenen Daten zum Kinderübergewicht rund 10 Jahre alt sind. Sie wurden in den Jahren 2003-2006 erhoben (KiGGS 1). Danach waren insgesamt 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen übergewichtig, 6,3 Prozent waren als schwer übergewichtig (adipös) einzustufen. Aktuellere Daten werden frühestens für 2017/2018 erwartet (KiGGS 2).
Weitere Studien zeigen widersprüchliche Ergebnisse. Obwohl sich ein Trend abzeichnet, dass die Adipositasprävalenz bei jüngeren (Vorschul-, Einschul-) Kindern stagniert (3, 4), steigt sie im Jugendalter weiter an (1). Im Jahr 2010 war das Risiko für 13-15-Jährige, übergewichtig zu werden, um 30 Prozent gestiegen gegenüber dem Referenzjahr 2002 (5). Nach Ergebnissen der IDEFICS-Studie, die Anfang 2016 veröffentlicht wurden, sind jedoch bereits 17,8 Prozent der knapp 8-Jährigen in Deutschland übergewichtig (13.7% übergewichtig und 4,1 Prozent adipös) (6).

Quellen:
www.worldobesity.org
sowie:

  1. Blüher, S; Kromeyer-Hauschild, K; Graf, C et al (2016): Aktuelle Empfehlungen zur Prävention der Adipositas im Kindes- und Jugendalter. Klin Padiatr 228(01): 1-10; DOI: 10.1055/s-0035-1559639
  2. Deutsche Allianz Nichtübertragbarer Krankheiten (DANK) (2015): Den Tsunami der chronischen Krankheiten stoppen. Vier Maßnahmen für eine wirkungsvolle und bevölkerungsweite Prävention
    http://www.dank-allianz.de/files/content/dokumente/150612_DANK-Strategiepapier.pdf
  3. Wabitsch, M; Moss, Kromeyer-Hauschild, K (2014): Unexpected plateauing of childhood obesity rates in developed countries.
    http://bmcmedicine.biomedcentral.com/articles/10.1186/1741-7015-12-17
  4. Moss, A; Klenk, J; Simon, K et al. (2011): Declining prevalence rates for overweight and obesity in German children starting school. Eur J Pediatr , published online 13.07.2011; DOI 10.1007/s00431-011-1531-5
  5. Schmechtig, N; Hähne, C et al. (2012): Veränderungen des Körpergewichts und Körperbildes von Kindern und Jugendlichen – Entwicklungstrends 2002-2006-2010 in Deutschland. Gesundheitswesen 74(Suppl 1): S25-32
  6. Börnhorst, C.; Siani, A; Russo, P et al. (2016): Early life factors and heterogeneity … The IDEFICS Study.
    http://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0149268