Deutsche Allianz Nichtübertragbare Krankheiten
Süßgetränke: Was wirkt gegen die süßen Dickmacher?
Süßgetränke gefährden die Gesundheit: Dies ist die klare und eindeutige Schlussfolgerung, welche die Weltgesundheitsorganisation (WHO)1 und Ärzteverbände2 3 aus den zahlreichen wissenschaftlichen Studien ziehen, die es zu dem Thema gibt. Süßgetränke fördern die Gewichtszunahme, und erhöhen das Risiko, an Adipositas (starkem Übergewicht), Diabetes (Zuckerkrankheit), Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Zahnkaries zu erkranken.4 5
Deutschland zählt mit einem Pro-Kopf-Verbrauch von 227 ml pro Tag zu den Ländern mit dem höchsten Süßgetränkekonsum weltweit.6 Besonders hoch ist der Süßgetränkekonsum unter Kindern und Jugendlichen, und unter sozial benachteiligten Bevölkerungsgruppen.7 Vor diesem Hintergrund setzt sich die Deutsche Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK) für diverse Maßnahmen ein, um den Konsum gesünderer Getränke zu fördern. Hierzu zählt insbesondere das Angebot von Wasser statt Softdrinks in allen Schulen und Kindergärten, die Einschränkung von Werbung für ungesunde Lebensmittel und Getränke (einschließlich Süßgetränken), einer verständlichen Lebensmittel- und Getränkekennzeichnung nach dem Ampelprinzip, und einer höheren Besteuerung ungesunder Produkte.2
Eine neue systematische Übersichtsarbeit des Ärzte- und Wissenschaftlernetzwerks Cochrane liefert nun wissenschaftliche Belege für die Wirksamkeit dieser Ansätze. Cochrane-Reviews gelten als der Goldstandard der evidenzbasierten Gesundheitsversorgung, und erfüllen höchste methodische Standards. Sie fassen zu definierten Fragestellungen die zuverlässigsten aktuell verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse zusammen, um so eine informierte Entscheidungsfindung zu ermöglichen.
Für die aktuelle Übersichtsarbeit zu Süßgetränken sichteten die Autoren mehr als 10.000 wissenschaftliche Veröffentlichungen, und identifizierten so 58 Studien zur Frage, welche Maßnahmen den Süßgetränkekonsum auf Bevölkerungsebene effektiv reduzieren. Diese 58 Studien wurden in 14 verschiedenen Ländern durchgeführt, und hatten zusammen genommen mehr als 1 Million Kinder, Jugendliche und Erwachsene als Teilnehmer.
Als eine der effektivsten Maßnahmen erwies sich die Kennzeichnung von Getränken nach dem Ampelprinzip, wie es zum Beispiel vom europäischen Nutri-Score-System genutzt wird. Der Nutri-Score hat sich in einer Analyse des Max Rubner-Instituts – dem bundeseigenen Ernährungsforschungs-Instituts – als das wissenschaftlich gesehen beste verfügbare System dieser Art erwiesen.8 Die jetzt veröffentlichte Übersichtsarbeit zeigt, dass eine solche Kennzeichnung nach dem Ampelprinzip die Wahl gesünderer Getränke durch KonsumentInnen unterstützt. DANK unterstützt die Einführung des Nutri-Scores in Deutschland ausdrücklich.9
Auch die Verringerung des Süßgetränke-Angebots an Schulen hat sich als wirkungsvoll erwiesen. Auch dies ist ein Handlungsfeld, in dem Deutschland Nachholbedarf besteht. Die aktuellsten hierzu verfügbaren Zahlen wurden 2014 im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) erhoben. Diese Erhebung ergab, dass an 41% aller Schulen in Deutschland Softdrinks angeboten werden, und 31% aller SekundarschülerInnen dieses Angebot regelmäßig nutzen, wohingegen nur an 23% aller Schulen Wasserspender zur Verfügung stehen.10 Die Qualitätsstandards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) sehen vor, dass Trinkwasser an allen Schulen kostenlos angeboten werden sollte, Softdrinks hingegen nicht.11 Bislang haben nur vier Bundesländer diese Standards umgesetzt. DANK setzt sich daher für eine bundesweit verbindliche Umsetzung der DGE-Qualitätsstandards ein.12
Die Wirksamkeit von Süßgetränkesteuern wurde bereits in mehreren Übersichtsarbeiten nachgewiesen.13 14 Die jetzt veröffentlichte Arbeit zeigt, dass Preiserhöhungen auf Süßgetränke auch wirksam sind, wenn sie auf lokaler Ebene und in einzelnen Einrichtungen umgesetzt werden. „Unsere Arbeit zeigt, dass KonsumentInnen beim Getränkekonsum auf Preissignale reagieren. Eine Süßgetränkesteuer könnte dazu beitragen, den Süßgetränkekonsum deutschlandweit zu reduzieren“, sagt der Erstautor der Übersichtsarbeit, Peter von Philipsborn, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Pettenkofer School of Public Health an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München.
„Süßgetränke sind ein wesentlicher Faktor hinter dem weltweiten Anstieg in der Häufigkeit von Adipositas und Diabetes mellitus“, ergänzt Prof. Dr. Hans Hauner, Inhaber des Lehrstuhls für Ernährungsmedizin an der Technischen Universität München. „Um diesen besorgniserregenden Trend umzukehren braucht es eine Kombination verschiedener Maßnahmen – von einer einfach verständlichen Nährwertkennzeichnung nach dem Ampelprinzip, über eine Verringerung des Süßgetränkeangebots in Schulen bis hin zu einer höheren Besteuerung von Süßgetränken.“
Zum vollständigen Review:
https://www.cochranelibrary.com/cdsr/doi/10.1002/14651858.CD012292.pub2/full
Kommentar der DANK zum Review:
https://www.dank-allianz.de/pressemeldung/370.html
Quellenangaben:
- WHO. Sugars intake for adults and childrenmGuideline. 2015. http://apps.who.int/iris/bitstream/10665/149782/1/9789241549028_eng.pdf?ua=1.
- Schaller K, Effertz T, Gerlach S, et al. Prävention nichtübertragbarer Krankheiten – eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. 2016. www.dank-allianz.de/files/content/dokumente/DANK-Grundsatzpapier_ES.pdf.
- Ernst J, Arens-Azevêdo U, Bitzer B, et al. Quantitative Empfehlung zur Zuckerzufuhr in Deutschland. Ernährungs Umschau 2019;66(2):26–34.
- Hu FB. Resolved: there is sufficient scientific evidence that decreasing sugar-sweetened beverage consumption will reduce the prevalence of obesity and obesity-related diseases. Obesity reviews : an official journal of the International Association for the Study of Obesity 2013;14(8):606-19. doi: 10.1111/obr.12040 [published Online First: 2013/06/15]
- Malik VS, Popkin BM, Bray GA, et al. Sugar-sweetened beverages and risk of metabolic syndrome and type 2 diabetes: a meta-analysis. Diabetes Care 2010;33(11):2477-83. doi: 10.2337/dc10-1079 [published Online First: 2010/08/10]
- WAFG. Erfrischungsgetränke: Historisches Hoch: Wirtschaftsvereinigung Alkoholfreie Getränke e.V.; 2011 [Available from: http://www.wafg.de/pdf/presse/110127095.pdf.
- Rabenberg M, Mensink GBM. Limo, Saft & Co – Konsum zuckerhaltiger Getränke in Deutschland. GBE Kompakt 2013; 4(1). https://www.rki.de/DE/Content/Gesundheitsmonitoring/Gesundheitsberichterstattung/GBEDownloadsK/2013_1_getraenkekonsum.pdf.
- Max Rubner-Institut. Vorläufiger Bericht: Beschreibung und Bewertung ausgewählter „front-of-pack“-Nährwertkennzeichnungs-Modelle. 2019. www.mri.bund.de/fileadmin/MRI/Themen/Naehrwertkennzeichnung/MRI-Bericht-Naehrwertkennzeichnungs-Modelle.pdf.
- DANK. Urteil gegen Verwendung des Nutri-Score: Innovative Lebensmittelhersteller werden auch durch Klöckner ausgebremst. 2019. www.dank-allianz.de/pressemeldung/349.html.
- Arens-Azevedo U, Schillmöller Z, Hesse I, et al. Qualität der Schulverpflegung – Bundesweite Erhebung: Abschlussbericht. 2015. https://www.in-form.de/fileadmin/Dokumente/Materialien/20150625INFORM_StudieQualitaetSchulverpflegung.pdf.
- DGE. DGE-Qualitätsstandard für die Schulverpflegung. 2007. http://www.schuleplusessen.de/service/medien.html?eID=dam_frontend_push&docID=1046.
- DANK. Bundesländer lehnen verpflichtende Qualitätsstandards für Kita- und Schulverpflegung ab. 2016. https://www.dank-allianz.de/nachricht/185.html (accessed 2018-07-05).
- Redondo M, Hernandez-Aguado I, Lumbreras B. The impact of the tax on sweetened beverages: a systematic review. The American journal of clinical nutrition 2018;108(3):548-63. doi: 10.1093/ajcn/nqy135 [published Online First: 2018/12/12]
- von Philipsborn P, Heise TL, Lhachimi SK, et al. Adipositas-Prävention: Eine Steuer auf Süßgetränke ist an der Zeit. Dtsch Arztebl International 2017;114(4):A-160.