Deutsche Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention

Stellungnahme zum Gesetzentwurf zur Stärkung der Gesundheitsförderung und der Prävention

Durch dieses Gesetz sollen die bisher vorliegenden Angebote, z.B. der Krankenkassen sowie von Früherkennungsuntersuchungen gebündelt, ausgebaut/neu strukturiert und optimiert werden; ein dringend erforderliches höheres Maß an Transparenz soll durch eine nationale Präventionskonferenz bzw. ein Präventionsforum geschaffen werden.

Hintergrund

Der vorliegende Referentenentwurf basiert auf dem Verständnis der Weltgesundheitsorganisation (WHO), dass Gesundheit die Grundlage für die individuelle Entfaltungsmöglichkeiten und Lebensqualität sowie die Leistungsfähigkeit des Gemeinwesens darstellt. Vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung sowie der Zunahme lebensstilbedingter Erkrankungen in jeder Altersgruppe sind eine (Neu-)Regelung von Prävention und Gesundheitsförderung unerlässlich. Je früher entsprechende Maßnahmen eingeführt werden, umso nachhaltiger sind ihre Umsetzung und die Vermeidung der möglichen Kosten im Falle der jeweiligen Erkrankungen. Neben inhaltlichen Aspekten wie Bewegungsmangel, Fehlernährung, Übergewicht, Alkoholkonsum und Stressbelastungen zielt der Entwurf daher auf individuelle, aber auch lebensweltbezogene und vor allem qualitätsgesicherte Maßnahmen in verschiedenen Settings ab (von Kindergärten bis zur betrieblichen Gesundheitsförderung), die die Gesundheitskompetenz der jeweiligen Zielgruppe stärken sollen. Damit wird der Erweiterung des Gesundheitsbegriffs um Empowerment und Partizipation der Ottawa-Charta (1986) Rechnung getragen.

Durch dieses Gesetz sollen die bisher vorliegenden Angebote, z.B. der Krankenkassen sowie von Früherkennungsuntersuchungen gebündelt, ausgebaut/neu strukturiert und optimiert werden; ein dringend erforderliches höheres Maß an Transparenz soll durch eine nationale Präventionskonferenz bzw. ein Präventionsforum geschaffen werden.

Stellungnahme zum vorliegenden Entwurf

Die Deutsche Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention (DGSP) begrüßt diese erneute Initiative zum Präventionsgesetz. Erfreulich und sinnvoll ist dabei die deutlichere Berücksichtigung von Haus- und Fachärzten bzw. Hausärztinnen und Fachärztinnen in der Prävention und Gesundheitsförderung. Insbesondere wenn es um die Umsetzung von Bewegungsförderung geht, kann die Sportmedizin eine wesentliche Rolle im Sinne der kompetenten Beratung und Optimierung des gesundheitlichen Nutzens von körperlicher Aktivität spielen.

Im Einzelnen nehmen wir daher wie folgt Stellung:

  • Ärztinnen und Ärzte erreichen – wie auch im Referentenentwurf zu lesen ist – den überwiegenden Anteil der Bevölkerung unabhängig von kulturellem Hintergrund, Bildungsgrad bzw. sozialem Status. Ärztinnen und Ärzte verfügen über ein besonderes Vertrauensverhältnis zu ihren Patienten und Patientinnen und haben damit eine Schlüsselposition in der Vermittlung von präventiven/ gesundheitsförderlichen Aspekten. Wichtige Voraussetzung für die Umsetzung präventiver Maßnahmen ist die Möglichkeit bzw. den Freiraum für eine entsprechende Beratung zu haben, die an den Aktivierungsgrad, d. h. die Änderungsbereitschaft eines Patienten/einer Patientin angeknüpft sind und nicht ausschließlich an gesetzliche Untersuchungen. Eine adäquate und effektive Beratung im Kontext lebensstiländernder Maßnahmen benötigt Zeit. Die aktuell im Check-up 35 vorgesehenen 26 Minuten sind für die notwendigen Leistungen (körperliche Untersuchung, Besprechung der Ergebnisse, incl. der notwendigen Konsequenzen in Bezug auf gesundheitsförderliche/ lebensstiländernde Maßnahmen) in der Praxis zu knapp. Die durchschnittliche Dauer eines Arzt-Patienten-Gesprächs in Deutschland beträgt ca. 7 bis 8 Minuten (Deveugele et al. 20021; Koch et al. 20072); dabei dauert bereits die Erfassung der sportlichen/freizeitlichen Anamnese, insbesondere die Detektion möglicher Barrieren und motivationaler Faktoren in der Regel deutlich länger; insbesondere wenn – wie im Entwurf vorgesehen – die Partizipation und Empowerment des Patienten/der Patientin im Vordergrund stehen.

    Es ist aus Sicht der DGSP notwendig, Beratungsleistungen z. B. in Form von strukturierten „Präventions-Beratungs-Konzepten“ bzw. Kurzinterventionen zu integrieren, und somit eine Überleitung in bereits vorhandene Angebote, wie z. B. durch das „Rezept für Bewegung“ zu erleichtern. Dabei sollten insbesondere auch Alltagsaktivitäten (z. B. die Empfehlung von Schrittzählern) oder individuell betriebene Freizeitaktivitäten (individuell oder in Fitnessstudios mit nachgewiesener Qualität und Expertise) empfohlen werden können.
  • Im Kontext körperlicher Aktivität (in Alltag und Freizeit) stellt eine vorher nicht bekannte koronare Herzkrankheit die häufigste Todesursache bei Personen über 35 Jahren dar. Durch sportmedizinische Vorsorgeuntersuchungen lassen sich solche fatale Ereignisse in erheblichem Maß reduzieren (Goodman et al. 20113; Corrado et al. 20054). Aus diesem Grund sollten derartige Untersuchungen künftig regelhaft in die Liste präventiver Untersuchungen aufgenommen werden. Eine einfache Umsetzung könnte durch eine Erweiterung des aktuellen Check-up 35 bzw. gesundheitlicher Früherkennungsuntersuchungen um ein Belastungs-EKG erreicht werden. Auch in der gezielten Beratung hin zu einem aktiven Lebensstil haben sich sportmedizinische Untersuchungen als sinnvoll erwiesen und werden aus diesem Grund bereits in Selektivverträgen von mehreren Krankenkassen mit der Sportmedizin umgesetzt.

Quellen

  1. Deveugele M, Derese A, van den Brink-Muinen A, Bensing J, De Maeseneer J. Consultation length in general practice: cross sectional study in six European countries. BMJ 2002; 325(7362):472
  2. Koch K, Gehrmann U, Sawicki P. Primärärztliche Versorgung in Deutschland im internatio-nalen Vergleich Dtsch Arztebl 2007; 104: (38) A 2584–91
  3. Goodman JM, Thomas SG, Burr J. Evidence-based risk assessment and recommendations for exercise testing and physical activity clearance in apparently healthy individuals. Appl Physiol Nutr Metab. 201;36 Suppl 1:S14-32.
  4. Corrado D et al.; Study Group of Sport Cardiology of the Working Group of Cardiac Rehabilitation and Exercise Physiology and the Working Group of Myocardial and Pericardial Diseases of the European Society of Cardiology. Cardiovascular pre-participation screening of young competitive athletes for prevention of sudden death: proposal for a common European protocol. Consensus Statement of the Study Group of Sport Cardiology of the Working Group of Cardiac Rehabilitation and Exercise Physiology and the Working Group of Myocardial and Pericardial Diseases of the European Society of Cardiology. Eur Heart J. 2005;26(5):516-24